Als ich mir die ersten Folgen von
Gosick ansah war ich bereits Feuer und Flamme und davon überzeugt seit langer Zeit wieder auf eine wahre Animeperle gestoßen zu sein. Der Anime hat es in Perfektion verstanden ums Ambiente des jungen 20. Jahrhunderts eine harmonische und gleichzeitig faszinierende Atmosphäre aufzubauen und den Zuschauer damit in den Bann zu ziehen. Der erste Kriminalfall war ein gelungener Auftakt, der definitiv Hunger auf mehr machte und mich darüber erfreute zu sehen, dass die Romanze zwischen unseren beiden Protagonisten bereits in den ersten beiden Folgen Fahrt aufnahm und es dezent knisterte. Umso ernüchternder war es, als nach dem fulminanten Anbruch, Folge für Folge das euphorische Gefühl dass ich zu Beginn verspürte, langsam abzuflauen begann. Was wohl daran lag, dass es mir nach den ersten Folgen nach mehr davon verlangte, aber hier kommt gleichsam die Schwäche Gosick´s zum Vorschein, denn der Anime besitzt leider keine vernünftigen Höhen oder Momente, bei denen einem das Herz gleich aus der Brust zu springen droht. Positiv lässt sich das so ausdrücken, dass man es hier mit einer sehr ruhigen, harmonischen und entspannenden Geschichte zu tun hat. Wenn der Anime aber schon unbedingt einen auf Krimi und Thriller machen muss, dann muss der Adrenalinspiegel auch mal kritische Ausmaße annehmen, aber genau das gelingt Gosick nur selten. Die Fälle sind zwar durch die Bank interessant, dass steht außer Frage, nicht zuletzt, weil sie sich oftmals an einen mystischen Hintergrund oder einer Gruselgeschichte anlehnen und der Anime es glänzend versteht, den richtigen Grad zwischen Fiktion/Märchen und der Realität zu finden. Allerdings fehlt ihnen irgendwie dieser "Ach so ist das, jetzt ergibt es alles einen Sinn" - Effekt, der einen geflasht zurück lässt. Klar ergeben die Fälle letztes Endes in der Regel Sinn und gehen auf - wenn auch manche Erklärungen etwas hanebüchen erscheinen und nur als Mittel zum Zweck wirken, dass auch wirklich alles irgendwie kongruiert und aufgeht - allerdings fehlt ihnen dieser "Zauber", wenn man sich der Lösung eines Falles gegenübersieht, den man z.B. bei
Detektiv Conan oder
Monster empfindet. Woran das liegt kann selbst ich nicht genau sagen, denn ganz so offensichtlich wie die meisten hier die Fälle darstellen sind sie meiner Meinung nun auch wieder nicht. Eventuell könnte es daran liegen, dass dem Zuschauer oftmals die Denkarbeit hier abgenommen wird, indem Victorique die Fälle gewöhnlich innerhalb kürzester Zeit ohne mit der Wimper zu zucken löst. Bei einem guten Krimi, wird Hinweis für Hinweis aufgedeckt, der dafür sorgt dass der Betrachter nach jedem Hinweis seine Theorie verifiziert und überarbeitet, nur um sie dann vielleicht beim nächsten Hinweis wieder zu verwerfen und neu zu formulieren, er ist demnach wie ein Puzzle, dass man Teil für Teil langsam und bedächtig zusammenfügt. Genau das macht eigentlich den Reiz eines Krimis aus, ein gewisses Miträtseln und Mitfiebern und genau das fehlt hier einfach, ganz im Gegenteil bekommt man regelrecht sofort das fertiggestellte Puzzle hingelegt. Obendrein fand ich es schade, dass die Beziehung zwischen den beiden Hauptdarstellern nach den ersten Folgen quasi stagniert und fast schon nach dem "ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück"-Prinzip fungierte, für was sich oftmals Victoriques Dickköpfigkeit und Kujo´s "Unentschlossenheit" verantwortlich zeigten(was sich gegen Ende glücklicherweise etwas bessert). An diesen beiden Stellen(Fälle und Romanze) hat der Anime viel Potenzial vergeben und nicht immer alles richtig gemacht. Und als ich dann schon kurz vor Ende befürchtete, dass die Serie sich weit weit unter Wert verkauft hätte, kam das grande Finale. In den letzten beiden Folgen überschlagen sich die Ereignisse geradezu gänzlich und was hier noch an Dramatik geboten wird, übertrifft vieles was ich bis dato gesehen hatte. Gerade bei der zweiten Hälfte der finalen Episode, als durchgehend "Whenever, Whereever"(unity) gespielt wurde, stand ich den Tränen verdammt nahe und wäre der Anime 3 Minuten vor dem eigentlichen Schluss bereits beendet worden, wäre dass meiner Meinung nach eines der einprägsamsten und drastischsten Enden in der Animegeschichte geworden. Zwar wäre es kein geschlossenens Ende gewesen, aber es hätte einem sicherlich mit einer großen Portion Unbehagen in der Bauchregion und einem (noch größeren) Flash zurückgelassen. Die Tatsache, dass der Anime nicht offen endet, ist zwar auch eine schöne - und für viele da draußen vermutlich auch die bessere - Variante, aber andererseits fehlt einem hier dieses "Wow, das war... heftig"-Gefühl. Unterm Strich mag Gosick vielleicht nicht der Über-Anime geworden sein - zu dass er vielleicht sogar das Potential gehabt hätte -, aber schon allein wegen des großartigen Finales würde ich dem Anime auf alle Fälle eine Chance geben und vielen Lesern ans Herz legen.
AnimationDa der Anime von BONES produziert wurde, kann man schon mal ein solides Resultat in Sachen Animation erwarten. Uns so ist es ja auch schließlich gekommen. Die Animationen mögen nicht die Avantgarde auf ihrem Gebiet sein, allerdings sind sie für einen Anime, der sein Augenmerk sowieso nicht auf Action legt und folglich nicht auf überdurchschnittliche Animationen setzen muss, völlig ausreichend und zeigen keine großartigen Schwächen. Die Hintergründe sind spitze und zeigen vereinzelt, bei Gebäuden, Kleidung oder insbesondere bei Fresken eine ausgesprochen hohe Detaildichte. Der Zeichenstil bzw. das Charakterdesign verpasst der Serie einen gewissen Touch und erachte ich als passend, auch wenn ich Kujo´s Aussehen anfangs für etwas seltsam und gewöhnungsbedürftig empfand, aber diese Betrachtung verflog im Lauf der Serie wieder. Qualitätsabfälle sind kaum auszumachen und höchstens im vorletzten Fünftel der Serie leicht erkennbar, fallen aber nicht weiter ins Gewicht. Insgesamt bewegt sich die Animation vollauf im grünen Bereich und zeigt sich absolut dienlich.
SoundDas Opening erinnerte mich mehr oder weniger an eine alternative, etwas ruhigere, fröhlichere aber auch schwächere Version des
Tengen Toppa Gurren Lagann Openings, welches ganz in Ordnung ist, aber nicht zwangsläufig gehört werden muss, zumal es auch schon ein wenig den Verlauf der Story verraten könnte. Das erste Ending ist schlichtweg genial, auch wenn ich das Gefühl nicht loswerde, es in ähnlicher Weise schon mal gehört zu haben, mir will aber nicht einfallen wo. Ending numero zwei trifft vermutlich nicht jedermanns Geschmacks, mir aber gefällt es auch ausgesprochen gut, auch wenn es, wie ich finde mit dem leicht mittelalterlichen Klang,
das perfekte Ending für
Spice and Wolf gewesen wäre, aber hier passt es auch ganz gut. Die, 30 Titel umfassende, BGM von Nakagawa Koutarou ist zudem ein wahrer Ohrenschmaus und hält einige hochklassige und wunderschöne Stücke wie Titel
04 - Anyaku to Mawaru Unmei, Nr.
11 - Hai iro Ookami he no Shoutaijou oder
18 - Kinka no Kusasri ga Tsunagu mono, parat. Ein kleiner Wermutstropfen ist allerdings, dass man den Soundtrack adäquater zur Geltung hätte bringen und seine Stärken besser ausspielen können. Erst gegen Ende wird der Musik auch die Aufmerksamkeit zuteil, die sie verdient. Hier wurde wieder etwas Potential hergeschenkt. Auch die Seiyuu´s rufen eine gute Leistung ab, allen voran Victorique´s Sprecherin gebührt Anerkennung, bringt sie nämlich deren Charakter perfekt rüber und klingt einmal total niedlich, wenn z.B. Victorique gerade für Süßigkeiten schwärmt und dann wieder völlig kalt und emotionslos. Auch Kujo´s Sprecher sollte nicht unerwähnt bleiben, schafft er es doch, dass auch das 500ste "Victorica!" noch genauso enthusiastisch klingt wie das Erste.
StoryDer, wegen seinen schwarzen Haaren und Augen, "Schwarzer Shinigami" genannte Internatsschüler Kujou Kazuja, findet eines Tages am Boden der Schulbibliothek ein seidig goldenes Haar. Entschlossen die menschliche Quelle des Haares ausfindig zu machen, macht er sich auf ins Obergeschoss der Bibliothek, wo es angeblich einen elysischen botanischen Garten geben soll. Allerdings findet er oben angekommen, nicht nur den vermuteten Garten, sondern außerdem ein zartes, blondes Mädchen vor, welches ihn scheinbar schon erwartet hat. Wie sich herausstellt besitzt diese "Goldene Fee" einen messerscharfen Verstand und gemeinsam mit ihren selbsternannten "Hund" Kujou löst sie von nun an eine Vielzahl von verzwickten Fällen. Wirken diese Fälle anfangs noch unabhängig von einander, stellt sich nach und nach heraus, dass sie doch lose miteinander verbunden sind und kulminieren letzten Endes in der dramatischen Trennung zwischen Kujou und Victorique. Besteht die erste Hälfte nur aus dem Fällelösen und dient nebenbei noch dazu die Charaktere und die Umgebung besser kennenzulernen, wird es in der Zweiten, mit den Eingriff von Victorique´s Vater, weitaus persönlicher und dramatischer, bevor alles in einem epischen Finale mit einem riesigen Paukenschlag endet. Die Inszenierung trumpht erst gegen Ende auf, vorher läuft vieles ziemlich gemächlich von statten und nur selten gibt es adrenalingeladene Höhepunkte. Die Handlung ist in sich schlüssig und interessant und baut eine durchgehend harmonische 1920er Atmosphäre auf, allerdings hätte man mehr aus der vorliegenden Szenerie und das Weltkriegsthema herausholen können, gerade das Thema Weltkrieg(der hier anscheinend schon 1924 und nicht erst 1939 ausbricht) wird nur in den letzten 2-3 Episoden angekratzt.
CharaktereVictorique ist einfach ein liebenswerter Giftzwerg, eine Tsundere, welche Süßigkeiten über alles liebt, intelligent und von ihrer Intelligenz auch extrem überzeugt ist, aber deswegen auch nicht gerne zugibt oder schnell eingeschnappt ist, wenn sie etwas(oftmals alltägliche Dinge) mal nicht so hinbekommt, wie sie sich das vorstellt. Obwohl man das Gefühl hat, dass sie sich insgeheim nach menschlicher Nähe sehnt, weist sie diese doch in Regel zurück und zeigt ihre wahren Gefühle kaum, sondern hält ihre arrogante, unantastbare Fassade vor anderen Leuten stets aufrecht. Manchmal fand ich ihre Art dennoch etwas anmaßend, aber wenn sie sich dann wieder wie ein Kleinkind über etwas derart profanes wie einen Hut oder einen Lutscher freute, muss man sie einfach lieben. Kujou fällt dagegen weniger durch seinen Intellekt, als mehr durch seine besonders höfliche und couragierte Art auf. Da er in den Konversationen mit Victorique oftmals etwas alt aussieht, hätte ich mir gewünscht, dass man ihm ein Prise mehr verbale Schlagkraft und Intelligenz verpasst hätte, aber man kann ja nicht alles haben. Insgesamt sympathisierte ich mit ihm, auch wenn sein ständiges "Victorica!" doch von Zeit zu Zeit die Nerven stark beanspruchte. Zu meinen Lieblingscharakter zähle ich aber den Stadtinspektor Grévil de Blois, von welchem man anfangs vielleicht den Eindruck eines völligen Blödians vermittelt bekommen mag, doch tatsächlich enthält, wie man im späteren Verlauf sehen wird, seine Person doch mehr Tiefgang und Dimension als erwartet. Und Haartollen sind einfach cool. Zudem konvenierte mir Victoriques mystisch, anmutende Mutter und der charismatische Illusionär Brian Roscoe, auch wenn ich von dessen "gespaltene Persönlichkeit", wie sich später herausstellen sollte, eher weniger begeistert war. Übrig bleibt ein toller Cast, der im Vergleich zu vielen anderen Animes überdurchschnittlich gut ist.
FazitSchöne Atmosphäre, sympathische Charaktere und ein Finale, das in Sachen Dramatik seinesgleichen sucht, lassen letztes Endes über das leider viele vergebene Potential größtenteils hinwegsehen, so dass ich
Gosick jedem empfehlen kann, der beim Schauen nicht permanent unter Strom stehen muss.