Wie schneidet die zweite Staffel im Vergleich zur
ersten ab? Was macht sie besser, schlechter, gleich gut oder einfach nur anders als der Vorgänger?
Die Aufdeckung des Mysteriums rund um den Transfer in die digitale Welt nimmt konkrete Formen an, indem Hinweise auf eine dafür verantwortliche dritte Partei gefunden werden. Das Rätsel wird in dieser Staffel aber noch nicht gelöst. Stattdessen wird man Zeuge einer stetigen Veränderung der Welt. Die Textbeschreibungen der Items werden Realität und auch die Non-Player-Characters unterscheiden sich immer weniger von Menschen. Eine Szene, in der eine Abenteuerin einen Satz eines NPC nicht versteht, da es ein bestimmtes Wort nur in seiner Sprache gibt, ist der einzige Anhaltspunkt, dass es sich hierbei um ein Produkt aus einem Videospiel handelt.
Die politischen und wirtschaftlichen Elemente wurden hier ein wenig zurückgeschraubt, glänzen jedoch in den richtigen Momenten. Schon zu Beginn wird
Shiroe vor ein Problem gestellt, das ihn dazu veranlasst, in ein weit entferntes Gebiet zu reisen und die meisten seiner Mitstreiter in Akihabara zurückzulassen. Auch die NPCs spielen eine große Rolle für die weitere Entwicklung des Zusammenlebens zwischen ihnen und den Abenteurern.
Was den Anime hinsichtlich der Charaktere positiv von seinem Vorgänger abhebt, sind die Szenen aus der realen Welt mancher Spieler. Wusste man aus der ersten Staffel quasi nichts vom Leben der Charaktere außerhalb von Elder Tale, kann man hier zumindest ein paar Szenen von Shiroe,
Tōya und
William Massachusetts sehen. Und was bin ich dankbar dafür, dass man sich dafür entschieden hat, den Charakteren im Real Life sowohl ein anderes Aussehen zu geben als auch den Zeichenstil realistischer zu gestalten. Dadurch gewinnt der Anime an Logik und Glaubwürdigkeit.
Was Charakterentwicklung betrifft, ist
Akatsuki die Gewinnerin dieser Staffel. War sie in der ersten Staffel noch weitgehend emotionslos und hatte gegen Ende einen plötzlichen Anfall an Schmetterlingen im Bauch, ist hier bereits klar, dass sie eben nicht die gefühlskalte, Auftragskillerin spielende, junge Frau ist, die sie zu sein schien, sondern ein Mensch wie jeder andere. Dadurch, dass ihre Zuneigung Shiroe gegenüber bereits im Vorgänger offengelegt wurde, kann hier ihre Gefühlswelt von Anfang an in einem angenehmen Erzähltempo erläutert werden. Auch abseits ihrer Liebe zu Shiroe wird ihr Charakter durch innere Monologe gut beleuchtet.
Gefallen hat mir auch die Entwicklung zwischen Shiroe und
Demiquas. Zwei Männer, die sich zwar nicht ausstehen können, aber durch ihre gemeinsamen Abenteuer gelernt haben, sich gegenseitig zu respektieren. Schien Demiquas in der ersten Staffel noch ein dümmlicher Muskelprotz zu sein, kann man hier gut sehen, welche Spuren die Niederlage gegen Shiroe in seiner Psyche hinterlassen haben.
Nyanta rückt dagegen immer mehr ins Hintertreffen. Ein wenig spannender Kampf ist das höchste der Gefühle. Sollte er auch in Zukunft nicht mehr zur Story beitragen, ist er für ein Mitglied der Log-Horizon-Gilde eine herbe Enttäuschung.
Mit
Tetra bekommt die Gilde weiteren Zuwachs. Seine Auftritte – vor allem sein Zusammenspiel mit
Naotsugu – sind aber einzig und alleine der Comedy dienlich. Naotsugu wird dadurch immer mehr in die Rolle des Comic Relief gedrängt, da die Running Gags mit Akatsuki auch in dieser Staffel weitergeführt werden. Seine wichtige Unterstützung in Kämpfen und seine sympathische Persönlichkeit machen ihn dennoch zu einem Charakter, den man nicht missen will. Ein paar ernstere Szenen oder ein Blick in sein reales Leben hätten ihm jedoch etwas mehr Tiefgang verliehen, was er als Mitglied der Log-Horizon-Gilde auch verdient hätte.
Habe ich in meiner Rezension zur vorherigen Staffel noch davon gesprochen, dass in diesem Anime eine vorhersehbare Handlung wie das Kämpfen in Dungeons nicht im Mittelpunkt steht, muss ich das für diese Staffel revidieren. Team Shiroe ist in den ersten Folgen wochenlang mit einem Raid inklusive Bosskämpfen beschäftigt. Das ist in keiner Weise negativ aufzufassen, da der Anime schon zur Genüge bewiesen hat, dass er mehr als das zu bieten hat. Gehört dies zwar nicht zu den Gründen, weshalb ich Log Horizon so schätze, kann der Anime hier trotz allem seine Stärken ausspielen. Shiroe ist wieder Dreh- und Angelpunkt und stellt mit fast schon übermenschlicher Übersicht unter Beweis, dass man selbst scheinbar unüberwindbare Hindernisse mit einer guten Strategie meistern kann.
Die Kämpfe stehen in dieser Staffel generell mehr im Mittelpunkt. Vor allem die erste Hälfte hat in dieser Hinsicht viel zu bieten. Während Team Shiroe mit dem Raid beschäftigt ist, hat es Team Akatsuki in Akihabara mit einem Player Killer zu tun, dessen Stärke der der Royal Guards gleicht. Hier nimmt der Anime eine Abbiegung Richtung Fighting Shounen. Akatsuki feilt an einer neuen Technik, mit der sie den Kampf für sich entscheiden will. Diese Arc ist vielleicht etwas untypisch für diesen Anime, was man an der etwas schwachen Umsetzung sehen kann, dafür glänzt Akatsuki aber auch hier mit einer tollen Charakterentwicklung.
Das größte Problem des Anime ist, dass er einen nach Beendigung der letzten Folge unbefriedigt zurücklässt. Gibt es in der ersten Hälfte noch Arcs, die nach ein paar Folgen ihr Ende finden, gibt es in der zweiten Hälfte nur noch Andeutungen auf etwas viel Größeres.
Schon am Ende der ersten Staffel tauchte
Nureha von der Gilde „Plant Hwyaden” auf, was vermuten ließ, dass sie der Hauptantagonist dieser Staffel wird. Sie und weitere Mitglieder ihrer Gilde tauchen hier zwar an manchen Stellen auf, aber viele wichtige Handlungen führen diese nicht aus. Geht man noch ein paar Folgen weiter zurück, könnte man meinen, die Schlacht gegen die Goblins, die bereits ihren Anfang nach den ersten Folgen der ersten Staffel genommen hat, könnte hier fortgesetzt und mit dem Kampf gegen den Goblinkönig seinen Höhepunkt finden. Die Relevanz dieses Kampfes wurde aber wohl ganz zurückgestuft, da man hierzu kaum noch etwas gesehen hat.
Gegen Ende häufen sich Zwischenfälle, die das Auftauchen einer neuen, feindlich gesinnten Gruppe – den Harvestern bzw. Genies – signalisieren, was leider mehr wie ein Prolog wirkt und man die ganze Arc wohl erst in einer zukünftigen Staffel zu sehen bekommt, sofern man nicht auf die Novel oder den Manga zurückgreifen will. Dasselbe gilt für
Kanami, von der man bereits in der ersten Staffel erhofft hat, mehr von ihr zu sehen zu bekommen, in dieser Staffel aber erst in der letzten Folge auf Shiroe trifft.
Der Anime kränkelt zudem an einem Überschuss an (Side-)Stories, was zum oben angeführten Problem beiträgt. Neben den bereits erwähnten Raid- und Player-Killer-Arcs und den angefangenen Storys rund um Plant Hwyaden, dem Kampf gegen die Goblins, den Genies und Kanami behandelt der Anime unter anderem eine von Tōya angeführte Quest, eine Valentinstag-Folge und die Krönung von Iselus.
Das, was der Anime alles erzählen will, ist nicht wirklich für 25 Folgen konzipiert. Das wäre eigentlich alles kein Problem, hätte es wenig später eine weitere Staffel gegeben. Somit hätte der Anime mehrere spannende Cliffhanger gehabt. Nach mehr als vier Jahren ohne Nachfolger wird man allerdings mit mehr Fragezeichen als Ausrufezeichen ins Real Life zurückbefördert.
By the way: In meinem Review zur ersten Staffel habe ich erwähnt, dass Log Horizon kein Anime ist, in dem anfangs gegen schwache Gegner wie Schleime gekämpft wird. In dieser Staffel gibt es Level-90-Schleime. So kann’s manchmal gehen.