Die Stärke japanischer Anime liegt im wesentlichen darin, den Zuschauer emotional zu fesseln. Oder, mit einem Wort: Empathie. Damit das gelingt, müssen einige Rahmenbedingungen passen. Beispielsweise glaubwürdige Charaktere, die nachvollziehbar handeln und in deren Gefühlswelt der Zuschauer Einblick erhält; eine gute szenische Umsetzung und Animation, die grundlegende Gesetzmäßigkeiten der Physik nicht gänzlich ignoriert; ansprechende visuelle Realisation, deren Bildsprache gern über die Abbildung des Realen hinausgehen darf, über sich hinausweist, vereinfacht gesagt, sich symbolischer Mittel bedient; das Erzählen einer Geschichte oder Handlung, die aus sich selbst hervorgeht und sich selbst genügt.
In diesen Punkten macht der Anime vieles richtig, aber genau am letzten beginnen die Probleme. Und damit auch meine Probleme mit diesem Anime.
Der Anime krankt über weite Strecken an seiner Botschaft wie auch der enorm didaktischen Ausrichtung.
Bei manchen Besprechungen wird immer wieder ins Feld geführt, wie unglaublich gut recherchiert und präzise umgesetzt manche Ereignisse, Verhaltensweisen, Symptome seien; aber genau da schwächelt er. Denn da, wo gewisse Verhaltensweisen von Menschen in Extremsituationen abgebildet werden, bleibt es eben dabei: es wird abgebildet, pflichtgemäß abgehandelt.
Teilweise schaut das aus wie ein Lehrfilm über Mensch und Technik im Katastrophenfall, nur mit etwas Handlung umwickelt, um das Publikum bei Laune zu halten. Man sieht förmlich den Scriptautor abhaken: Massenpanik - check; Schockwirkung - check; "Jeder ist sich selbst der Nächste" - check; irrationales Verhalten - check; geordnetes Einleiten von Evakuierungsmaßnahmen - check …
Darunter leidet letztlich die erzählerische Linie wie auch die Tiefe der Empathie. Zudem darf der Zuschauer sich an der Nase herumgeführt fühlen, wenn Yuuki
am Ende als bloße Imagination von Mirai begriffen wird. In dieser letzten Szene des (imaginären) Abschieds daran zu erkennen, dass er - im Gegensatz zu realen Menschen - keinen Schattenwurf hat. Was bis dahin allerdings nicht der Fall war - ansonsten der Zuschauer zu schnell begriffen hätte, wie die Dinge liegen, denn auch die Krankenhausszene wäre durchaus auch als Vermischung von Realität und Phantasie in Mirais Kopf zu interpretieren gewesen.
Und solche Tricksereien sind es, die ich grundsätzlich übel nehme.
Überhaupt ist Yuuki, ungeachtet seines Schicksals, eine Nervensäge ohne Ende. Eine taktische Nervensäge seitens der Regie gewissermaßen, die oft gezielt eingesetzt wird, um dem Zuschauer begreiflich zu machen, wie ungeheuer schwer es alle haben. Das ist von einem "beiseite sprechen" wie auf dem Theater nicht weit entfernt.
Warum die Bewertung nun doch nicht so mies ausfällt wie der Kommentar vielleicht nahelegen könnte, liegt einfach daran, dass der Anime von den oben angeführten Punkten vieles richtig und gut umsetzt, bei dem letzten jedoch, meiner Ansicht nach, sich selbst auf den Füßen steht. Genau bei dem Punkt, der Anime ausmacht und was eigentlich auch die "Kernkompetenz" sein sollte: Empathie.
Comentarios (1)
Aber zu deiner Frage: