PennVIP
#1- Handlung
- Inszenierung
- Figuren
- Musik
- Animation
Da ich in dieser Rezension zumindest ansatzweise die Themen diskutieren möchte, die der Anime behandelt, sind Spoiler unvermeidlich. Ich will allerdings versuchen, hinsichtlich der Handlung nicht zu viel vorwegzunehmen.
Babylon wirkt zu Beginn wie ein klassischer Fernsehthriller mit dramatischen Elementen. Der rechtschaffene Arbeitsmensch Seizaki Zen arbeitet für die Tokyoter Staatsanwaltschaft und ermittelt nach einer Razzia gegen einen Pharmakonzern, als er in deren Unterlagen auf ein blutverschmiertes Dokument stoßt. Dieses führt ihn zu einem toten Medizinprofessor und einer Verschwörung in hohen Kreisen von Politik, Justiz und Wirtschaft, welche sich um die Schaffung eines neuen autonomen Gebiets unweit Tokyos rankt. Als Seizaki versucht, der Sache auf den Grund zu gehen, kommt es alsbald auch im Umfeld der Ermittlungen zu Todesfällen. Unterdessen entgleitet das Projekt der autonomen Zone zusehens der Kontrolle der Obrigkeit, als dessen frisch gewählter Bürgermeister Itsuki Kaika ein Gesetz verabschiedet, welches das Recht seiner Bewohner auf den frei gewälten Suizid konstatiert. Sowohl hinter den Todesfällen als auch dem neuen Gesetz scheint eine einzige Frau namens Magase Ai zu stecken, die sich jedoch wieder und wieder dem Griff des Protagonisten entwinden kann. Während die Jagd Seizakis nach der Antagonistin die Rahmenhandlung des Titels bildet, sind die anfänglichen Ereignisse lediglich ein Sprungbrett, um den Fokus des Anime auf die Frage nach der Moralität von Selbstmord zu werfen und – in einem weiteren Schritt – auf die Diskussion grundlegender ethischer Fragen nach richtigem und falschem Handeln.
Parallel zur drei Bände umfassenden Romanvorlage wurde auch der Anime in drei Akten inszeniert. In den ersten drei Episoden wird, ausgehend von den Erkenntnissen einer mit der eigentlichen Handlung nicht im Zusammenhang stehenden Ermittlung, der Grundstein für die Handlung gelegt. Die neu gegründete Autonomiezone Shin’iki wird als Schauplatz des Geschehens und Magase Ai als mysteriöse Gegenspielerin mit scheinbar übernatürlichen Fähigkeiten eingeführt. Das Entgleiten der Kontrolle über Shin’iki und den gewählten Bürgermeister und eine schockierende Demonstration dessen, wozu Magase fähig ist, beschließen diesen Teil. Im zweiten Akt beginnt darauf aufbauend eine Ermittlung gegen die nun ausgemachten Antagonisten. Unterfüttert von Entdeckungen über die Vergangenheit Magases wird – mit Rückschlägen – der Spannungsbogen konstant angehoben und auf eine bevorstehende TV-Debatte als Höhepunkt hingearbeitet. Der Akt endet mit einer Niederlage katastrophalen Ausmaßes für die Seite des Protagonisten. Der letzte und längste Akt erstreckt sich über die Episoden acht bis zwölf und trägt die Handlung in einem ungelenken Sprung auf eine internationale Bühne, wo nun mit Alexander Wood ein neuer Protagonist neben Seizaki steht. Der Akt ist geprägt von Diskussionen über die Moralität von Suizid und schließlich über ethische Grundsätze, ehe es zum finalen Showdown kommt.
In technischer Hinsicht ist der Anime insgesamt von guter Qualität. Statt des gewohnten anderhalbminütigen Openings wird ein kurzes instrumental unterlegtes Intro verwendet, welches – in den meisten Episoden (!) – nicht mehr als ein paar Credits enthält. Jedem der drei Akte wurde dagegen ein eigenes Ending in gewohnter Länge spendiert, die allesamt ganz nett anzuhören sind. Musikalisches Markenzeichen des gesamten Anime ist jedoch wohl der Track „A Given“ aus der Feder von Yamada Yutaka, welcher in einer Mehrzahl der Folgen und besonders in wichtigen Schlüsselszenen zu hören ist.
Optisch zeichnet sich der Titel durch ein gutes Charakterdesign aus. Gerade die Erscheinung Magase Ais bleibt im Gedächtnis. Auch im Bereich der Animationen sind es gerade die Szenen mit Magase, welche besonders gut gelungen sind. Abseits davon kommen des Öfteren Standbilder zum Einsatz, welche allerdings in der Regel durch gelungene Schnitte nicht allzu negativ auffallen. Abgesehen von ein paar krummen Gesichtern in verschiedenen halbnahen Einstellungen sind mir keine größeren Patzer aufgefallen. Auch die verwendeten CG-Animationen, insbesondere der Fahrzeuge, passen sich größtenteils gut ins Gesamtbild ein. Darüber hinaus ist der Detailreichtum der Hintergrunddesigns in den meisten Fällen zu loben. Der Aufdruck auf Seizakis Kaffeebecher oder sein Essen in der Kantine in der ersten Episode etwa sind zwei positive Beispiele. Dagegen wurde der Schriftzug über dem Eingang des Reichstagsgebäudes leider verpatzt.
Die beiden Hauptfiguren scheinen zunächst von einem geradezu langweilig offensichtlichen Dualismus geprägt: Seizaki Zen ist der Posterboy der Gerechtigkeit, bereits in seinem noch jungen Alter Staatsanwalt der Tokyoter Sonderermittlungseinheit und schon dem Namen nach – 正 sei ‚richitg, gerecht‘ und 善 zen ‚gut‘ – Innbegriff alles Guten. Magase Ai dagegen verführt und täuscht ihre Opfer, geht äußerst gerissen vor und wird, zunehmend plakativ, als Hure Babylon charakterisiert. Als ganz so platt, wie zunächt angenommen, erweisen sich die beiden Figuren dann allerdings doch nicht. Seizaki ist ein Workaholic, der keine Zeit für seine Familie hat. Im Angesicht von Ungerechtigkeit kann er seine Aggressionen kaum im Zaum halten und verliert sich zusehends in seiner Obsession damit, dem Treiben von Magase Einhalt zu gebieten. Das Gesetz, welches er qua seines Jobs eigentlich zu wahren hat, stellt in dieser Hinsicht eine Hürde da, die er alsbald ohne viel Aufhebens nimmt. Seine Intentionen bleiben zwar unterm Strich gut, zur Umsetzung dieser ist ihm jedoch jedes Mittel recht. Magase wird durchgehend – auch duch sie selbst – als ‚böse‘ identifiziert. Sie besitzt eine geheimnissvolle Kraft, die es ihr erlaubt, sich ihr Gegenüber allein durch ihr Auftreten oder ihre Stimme gefügig zu machen. Obgleich ihre Methoden durchgehend skrupellos und abstoßend sind, bieten ihre Intentionen viel Spielraum für Interpretation. Ob sie es auf bloßes Chaos, gar den Untergang der zivilisierten Gesellschaft oder schlicht auf Seizakis Seelenheil abgesehen hat, bleibt unklar. Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch ihr ausgesprochenes Interesse an dem jungen Staatsanwalt.
Ein Großteil der Nebenfiguren wie Fumio Atsuhiko, Sekuro Hiasa oder Kujiin Shinobu bleiben die meiste Zeit, in welcher sie auftreten, blasses Beiwerk. Von gewisser Relevanz für die Handlung sind zumindest noch Itsuki Kaika in den ersten beiden Akten sowie Alexander Wood im abschließenden Teil. Itsuki entpuppt sich jedoch als nicht mehr denn Magases öffentlichkeitswirksame Marionette; der reflektiert-nachdenkliche Charakter Woods ist zwar erfrischend, füllt aber nur die Lücken, an welchen die Figur Seizakis an ihre Grenzen stößt, und tritt letztendlich auch wieder zu dessen Gunsten in den Hintergrund.
Im theoretischen Unterbau – wenn man so will – widmet sich der Titel zwei Themenblöcken: der Moralität des Freitods sowie der Frage nach Gut und Böse bzw. richtigem und falschem Handeln. Dabei dient die Suizid-Frage als Hinführung zu der universelleren Diskussion ethischer Grundsätze. Mit Ersterem geht der Titel offen ein Problemthema der japanischen Gesellschaft an, deren Suizidrate zu den höchsten der Welt gehört. Anhand einer TV-Debatte wird den Zuschauern sehr ostentativ das Für und Wider des Rechts auf Beenden des eigenen Lebens aufgezeigt. Wirklich ernsthaft konfrontiert mit dem zweiten Thema wird der Zuschauer erst im dritten Akt, als Alexander Wood vorschlägt, dass man das Suizidgesetz gar nicht diskutieren könne, ohne zunächst viel grundlegendere Fragen zu klären und so eine Diskussionsbasis zu schaffen. Tatsächlich allerdings sind Gut und Böse sowie Gerechtigkeit schon seit Beginn des Anime präsent und Gegenstand jeglichen Austausches zwischen Magase und Seizaki. Zum Ende des dritten Aktes hin gelangen Seizaki und Wood gleichzeitig zu einer Antwort auf die Frage, was gut und was böse ist. Zugegebenermaßen mag diese Antwort für einige Mehrzahl der Zuschauer nicht befriedigend sein. Das aber ist auch nicht Aufgabe des Anime. Stattdessen leistet es der Titel, den Zuschauer dazu zu bewegen, sich mit den vorgestellten Fragen auseinananderzusetzen und diese weiterzudenken.
Die angesprochene Lösung, zu welcher Seizaki findet, sowie das Ende der Handung will ich hier nicht vorwegnehmen. Es darf jedoch nicht mit einem runden, zufriedenstellenden Abschluss gerechnet werden. Das Ende kommt abrupt, mehrere Handlungsstränge bleiben unvollendet und Hintergründe ungeklärt. Hierin liegt meiner Meinung nach aber eine Stärke des Anime. Offensichtlich soll der Zuschauer dazu angeregt werden, die ethisch-moralische Thematik, mit welcher er konfrontiert wurde, aufzugreifen und sich über das Ende des Titels hinaus damit auseinanderzusetzen.
Narratologisch ist ein gewisser Schaden durch diese Fixierung auf die moralische Botschaft allerdings nicht von der Hand zu weisen. Abseits vom Schluss klaffen schon während des früheren Handlungsverlaufs einige Logik- und Handlungslücken auf. Insbesondere der Sprung zu Beginn des dritten Akts, durch welchen Seizaki zeitweise stark in den Schatten Woods gedrängt wird, scheint nicht gut durchdacht.
Wer also einen spannungsgeladen Thriller sucht, wird hier nur bedingt fündig werden. Zwar wird durchaus zu drastisch-brutalen Bildern gegriffen, um die Spannung aufrecht zu erhalten – gerade Episode 7 sollte daher mit Vorsicht (oder Vorfreude) genossen werden –; ein fulminantes, formvollendetes Finale sucht man jedoch vergeblich. Wer dagegen gerne seine eigenen Überlegungen zur Bedeutung der Handlung eines Titels anstellt, für den mag Babylon die richtige Kost sein.
Babylon wirkt zu Beginn wie ein klassischer Fernsehthriller mit dramatischen Elementen. Der rechtschaffene Arbeitsmensch Seizaki Zen arbeitet für die Tokyoter Staatsanwaltschaft und ermittelt nach einer Razzia gegen einen Pharmakonzern, als er in deren Unterlagen auf ein blutverschmiertes Dokument stoßt. Dieses führt ihn zu einem toten Medizinprofessor und einer Verschwörung in hohen Kreisen von Politik, Justiz und Wirtschaft, welche sich um die Schaffung eines neuen autonomen Gebiets unweit Tokyos rankt. Als Seizaki versucht, der Sache auf den Grund zu gehen, kommt es alsbald auch im Umfeld der Ermittlungen zu Todesfällen. Unterdessen entgleitet das Projekt der autonomen Zone zusehens der Kontrolle der Obrigkeit, als dessen frisch gewählter Bürgermeister Itsuki Kaika ein Gesetz verabschiedet, welches das Recht seiner Bewohner auf den frei gewälten Suizid konstatiert. Sowohl hinter den Todesfällen als auch dem neuen Gesetz scheint eine einzige Frau namens Magase Ai zu stecken, die sich jedoch wieder und wieder dem Griff des Protagonisten entwinden kann. Während die Jagd Seizakis nach der Antagonistin die Rahmenhandlung des Titels bildet, sind die anfänglichen Ereignisse lediglich ein Sprungbrett, um den Fokus des Anime auf die Frage nach der Moralität von Selbstmord zu werfen und – in einem weiteren Schritt – auf die Diskussion grundlegender ethischer Fragen nach richtigem und falschem Handeln.
Parallel zur drei Bände umfassenden Romanvorlage wurde auch der Anime in drei Akten inszeniert. In den ersten drei Episoden wird, ausgehend von den Erkenntnissen einer mit der eigentlichen Handlung nicht im Zusammenhang stehenden Ermittlung, der Grundstein für die Handlung gelegt. Die neu gegründete Autonomiezone Shin’iki wird als Schauplatz des Geschehens und Magase Ai als mysteriöse Gegenspielerin mit scheinbar übernatürlichen Fähigkeiten eingeführt. Das Entgleiten der Kontrolle über Shin’iki und den gewählten Bürgermeister und eine schockierende Demonstration dessen, wozu Magase fähig ist, beschließen diesen Teil. Im zweiten Akt beginnt darauf aufbauend eine Ermittlung gegen die nun ausgemachten Antagonisten. Unterfüttert von Entdeckungen über die Vergangenheit Magases wird – mit Rückschlägen – der Spannungsbogen konstant angehoben und auf eine bevorstehende TV-Debatte als Höhepunkt hingearbeitet. Der Akt endet mit einer Niederlage katastrophalen Ausmaßes für die Seite des Protagonisten. Der letzte und längste Akt erstreckt sich über die Episoden acht bis zwölf und trägt die Handlung in einem ungelenken Sprung auf eine internationale Bühne, wo nun mit Alexander Wood ein neuer Protagonist neben Seizaki steht. Der Akt ist geprägt von Diskussionen über die Moralität von Suizid und schließlich über ethische Grundsätze, ehe es zum finalen Showdown kommt.
In technischer Hinsicht ist der Anime insgesamt von guter Qualität. Statt des gewohnten anderhalbminütigen Openings wird ein kurzes instrumental unterlegtes Intro verwendet, welches – in den meisten Episoden (!) – nicht mehr als ein paar Credits enthält. Jedem der drei Akte wurde dagegen ein eigenes Ending in gewohnter Länge spendiert, die allesamt ganz nett anzuhören sind. Musikalisches Markenzeichen des gesamten Anime ist jedoch wohl der Track „A Given“ aus der Feder von Yamada Yutaka, welcher in einer Mehrzahl der Folgen und besonders in wichtigen Schlüsselszenen zu hören ist.
Optisch zeichnet sich der Titel durch ein gutes Charakterdesign aus. Gerade die Erscheinung Magase Ais bleibt im Gedächtnis. Auch im Bereich der Animationen sind es gerade die Szenen mit Magase, welche besonders gut gelungen sind. Abseits davon kommen des Öfteren Standbilder zum Einsatz, welche allerdings in der Regel durch gelungene Schnitte nicht allzu negativ auffallen. Abgesehen von ein paar krummen Gesichtern in verschiedenen halbnahen Einstellungen sind mir keine größeren Patzer aufgefallen. Auch die verwendeten CG-Animationen, insbesondere der Fahrzeuge, passen sich größtenteils gut ins Gesamtbild ein. Darüber hinaus ist der Detailreichtum der Hintergrunddesigns in den meisten Fällen zu loben. Der Aufdruck auf Seizakis Kaffeebecher oder sein Essen in der Kantine in der ersten Episode etwa sind zwei positive Beispiele. Dagegen wurde der Schriftzug über dem Eingang des Reichstagsgebäudes leider verpatzt.
Die beiden Hauptfiguren scheinen zunächst von einem geradezu langweilig offensichtlichen Dualismus geprägt: Seizaki Zen ist der Posterboy der Gerechtigkeit, bereits in seinem noch jungen Alter Staatsanwalt der Tokyoter Sonderermittlungseinheit und schon dem Namen nach – 正 sei ‚richitg, gerecht‘ und 善 zen ‚gut‘ – Innbegriff alles Guten. Magase Ai dagegen verführt und täuscht ihre Opfer, geht äußerst gerissen vor und wird, zunehmend plakativ, als Hure Babylon charakterisiert. Als ganz so platt, wie zunächt angenommen, erweisen sich die beiden Figuren dann allerdings doch nicht. Seizaki ist ein Workaholic, der keine Zeit für seine Familie hat. Im Angesicht von Ungerechtigkeit kann er seine Aggressionen kaum im Zaum halten und verliert sich zusehends in seiner Obsession damit, dem Treiben von Magase Einhalt zu gebieten. Das Gesetz, welches er qua seines Jobs eigentlich zu wahren hat, stellt in dieser Hinsicht eine Hürde da, die er alsbald ohne viel Aufhebens nimmt. Seine Intentionen bleiben zwar unterm Strich gut, zur Umsetzung dieser ist ihm jedoch jedes Mittel recht. Magase wird durchgehend – auch duch sie selbst – als ‚böse‘ identifiziert. Sie besitzt eine geheimnissvolle Kraft, die es ihr erlaubt, sich ihr Gegenüber allein durch ihr Auftreten oder ihre Stimme gefügig zu machen. Obgleich ihre Methoden durchgehend skrupellos und abstoßend sind, bieten ihre Intentionen viel Spielraum für Interpretation. Ob sie es auf bloßes Chaos, gar den Untergang der zivilisierten Gesellschaft oder schlicht auf Seizakis Seelenheil abgesehen hat, bleibt unklar. Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch ihr ausgesprochenes Interesse an dem jungen Staatsanwalt.
Ein Großteil der Nebenfiguren wie Fumio Atsuhiko, Sekuro Hiasa oder Kujiin Shinobu bleiben die meiste Zeit, in welcher sie auftreten, blasses Beiwerk. Von gewisser Relevanz für die Handlung sind zumindest noch Itsuki Kaika in den ersten beiden Akten sowie Alexander Wood im abschließenden Teil. Itsuki entpuppt sich jedoch als nicht mehr denn Magases öffentlichkeitswirksame Marionette; der reflektiert-nachdenkliche Charakter Woods ist zwar erfrischend, füllt aber nur die Lücken, an welchen die Figur Seizakis an ihre Grenzen stößt, und tritt letztendlich auch wieder zu dessen Gunsten in den Hintergrund.
Im theoretischen Unterbau – wenn man so will – widmet sich der Titel zwei Themenblöcken: der Moralität des Freitods sowie der Frage nach Gut und Böse bzw. richtigem und falschem Handeln. Dabei dient die Suizid-Frage als Hinführung zu der universelleren Diskussion ethischer Grundsätze. Mit Ersterem geht der Titel offen ein Problemthema der japanischen Gesellschaft an, deren Suizidrate zu den höchsten der Welt gehört. Anhand einer TV-Debatte wird den Zuschauern sehr ostentativ das Für und Wider des Rechts auf Beenden des eigenen Lebens aufgezeigt. Wirklich ernsthaft konfrontiert mit dem zweiten Thema wird der Zuschauer erst im dritten Akt, als Alexander Wood vorschlägt, dass man das Suizidgesetz gar nicht diskutieren könne, ohne zunächst viel grundlegendere Fragen zu klären und so eine Diskussionsbasis zu schaffen. Tatsächlich allerdings sind Gut und Böse sowie Gerechtigkeit schon seit Beginn des Anime präsent und Gegenstand jeglichen Austausches zwischen Magase und Seizaki. Zum Ende des dritten Aktes hin gelangen Seizaki und Wood gleichzeitig zu einer Antwort auf die Frage, was gut und was böse ist. Zugegebenermaßen mag diese Antwort für einige Mehrzahl der Zuschauer nicht befriedigend sein. Das aber ist auch nicht Aufgabe des Anime. Stattdessen leistet es der Titel, den Zuschauer dazu zu bewegen, sich mit den vorgestellten Fragen auseinananderzusetzen und diese weiterzudenken.
Die angesprochene Lösung, zu welcher Seizaki findet, sowie das Ende der Handung will ich hier nicht vorwegnehmen. Es darf jedoch nicht mit einem runden, zufriedenstellenden Abschluss gerechnet werden. Das Ende kommt abrupt, mehrere Handlungsstränge bleiben unvollendet und Hintergründe ungeklärt. Hierin liegt meiner Meinung nach aber eine Stärke des Anime. Offensichtlich soll der Zuschauer dazu angeregt werden, die ethisch-moralische Thematik, mit welcher er konfrontiert wurde, aufzugreifen und sich über das Ende des Titels hinaus damit auseinanderzusetzen.
Narratologisch ist ein gewisser Schaden durch diese Fixierung auf die moralische Botschaft allerdings nicht von der Hand zu weisen. Abseits vom Schluss klaffen schon während des früheren Handlungsverlaufs einige Logik- und Handlungslücken auf. Insbesondere der Sprung zu Beginn des dritten Akts, durch welchen Seizaki zeitweise stark in den Schatten Woods gedrängt wird, scheint nicht gut durchdacht.
Wer also einen spannungsgeladen Thriller sucht, wird hier nur bedingt fündig werden. Zwar wird durchaus zu drastisch-brutalen Bildern gegriffen, um die Spannung aufrecht zu erhalten – gerade Episode 7 sollte daher mit Vorsicht (oder Vorfreude) genossen werden –; ein fulminantes, formvollendetes Finale sucht man jedoch vergeblich. Wer dagegen gerne seine eigenen Überlegungen zur Bedeutung der Handlung eines Titels anstellt, für den mag Babylon die richtige Kost sein.